Im Projekt WERTE.IT forschen wir an inklusiver Unternehmenskultur in der IT-Branche – und auch in unserer eigenen Forschungspraxis arbeiten wir daran, zu inkludieren und Barrieren abzubauen. Wir haben Kollegen mit schweren Sehbehinderungen im Team und wollen unsere qualitativen Daten gemeinsam analysieren. Wie wir das schaffen, beforschen wir dabei, insbesondere ist damit im Moment Philipp Gröll beschäftigt.
Darüber habe ich auf der Tagung “digitale Verfahren” des Netzwerks qualitative Methoden einen Vortrag gehalten. Die Tagung fand Anfang Mai 2025 an der privaten Hochschule Macromedia in Köln statt.
Die barrierefreie qualitative Datenanalyse haben wir in der Vorbereitung auf diesen Vortrag mit “A11y QDA” überschrieben – A11y steht auf Englisch für Accessibility wegen den elf Buchstaben zwischen “A” und “y”, und QDA ist die Abkürzung für qualitative Datenanalyse.
Philipp hat verschiedene Programme zur qualitativen Datenanalyse getestet, die auf der englischsprachigen Wikipedia gelistet sind, in letzter Zeit Updates hatten und für uns ohne zusätzliche Kosten nutzbar sind. Die bekannten und verbreiteten Programme MaxQDA und Atlas.ti aus diesem Bereich sind dabei. Hier der Link zu der Wikipedia-Liste:
https://en.wikipedia.org/wiki/Computer-assisted_qualitative_data_analysis_software
Es stellte sich bei den Tests heraus, dass keines der Programme von jemandem nutzbar ist, die oder der den Computer mit einem Screenreader und der Tastatur bedient. Sie ließen sich installieren und einige Funktionen ließen sich bedienen, aber immer fehlte entscheidendes. Meisten ließ sich der Inhalt von importierten Text-Daten nicht auslesen – ein entscheidender Punkt, der für die Analyse unbedingt nötig ist.
Das habe ich für unser Team auf der Tagung vorgetragen, zusammen mit Lösungsideen: So haben schwer Sehbehinderte Workarounds mit Standardsoftware gestaltet, indem sie etwa Codes als Word-Fußnoten eingefügt haben, in Textdateien mit Unterstrichen markiert haben oder indem sie mit den Codes in einer Excel-Tabelle gearbeitet haben. Auch Philipp hat so schon einmal gearbeitet. Hier ist ein Paper dazu:
Aishwarya, O. (2022): Performing Qualitative Data Analysis as a Blind Researcher: Challenges, Workarounds and Design Recommendations. In: Proceedings of the 24th International ACM SIGACCESS Conference on Computers and Accessibility. Athens Greece: ACM. S. 1–4. https://dl.acm.org/doi/10.1145/3517428.3551356 [Zugriff: 18.9.2024]. S. 1–4. https://doi.org/10.1145/3517428.3551356.
Wir werden zusammen analysieren und uns dabei absprechen, sodass die unter uns, die MaxQDA nutzen können das tun, und wir uns mit Philipp austauschen, der seine Workarounds nutzt. Philipp hat so auch schon zusammen mit Sandra, die auch in unserem Team ist, in studentischen Projekten gearbeitet.
Auf der Tagung habe ich spannende Einblicke in die empirische Forschung bekommen, die mir ja immer noch neu ist und anregende Gespräche geführt. Ich habe auch eine Forscherin kennen gelernt, die selbst mit Menschen mit Behinderungen arbeitet, Hörbehinderungen in ihrem Fall.
Dort war außerdem das Team von OpenQDA, einer neuen Analysesoftware, die quelloffen in Bremen entwickelt wird. OpenQDA hatten wir noch nicht in unseren Tests, weil es nicht auf der Wikipedia-Seite gelistet war. Die Leute von OpenQDA waren meinen Ausführungen sehr offen gegenüber – positiv ist dabei, dass das Programm neu entwickelt wird, bewusst nur wenige Kernfunktionen und nicht viele Features hat und auf Web-Technologien basiert, es wird browserbasiert benutzt. Das sind alles Eigenschaften, die Barrierefreiheit einfacher machen können. Also gibt es vielleicht doch sehr bald ein Programm für die qualitative Datenanalyse, das barrierefrei nutzbar ist!
Unser Team an der Uni Siegen ist an der Professur Wirtschaftsinformatik, insbesondere IT für die alternde Gesellschaft und besteht dort aus Prof. Dr. Claudia Müller, Sven Bittenbinder, Sandra Butzek, Philipp Gröll und mir.
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