Experimentalraum Ludomaterialität – Diskussionsrunde zum Verhältnis von Spiel und Material (Diskussionspanel)

Die GamesCoop hatte auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft 2020 ein Diskussionspanel mit dem Titel: Experimentalraum Ludomaterialität – Diskussionsrunde zum Verhältnis von Spiel und Material – Passend zum Titel der Tagung: Experimentieren. Mit dabei waren Timo Schemer-Reinhard (Uni Siegen), Max Kanderske (Uni Siegen), Tim Glaser (Hochschule für Bildende Künste Braunschweig), Max Kanderske (Uni Siegen), Andreas Rauscher (Uni Siegen), Timo Schemer-Reinhard (Uni Siegen), Finja Walsdorff (Uni Siegen) – und ich. Im Folgenden ist der Text unseres Abstracts zu lesen.

Spielräume sind immer auch Experimentalräume. Sie können im freien Spielen durch Körperpraktiken und in Interaktion mit allerlei Spielgerät erkundet werden, oder im regelgeleiteten Spiel, das sich durch die Festlegung eigener Zielsetzungen und Regelvariationen seitens der Spieler_innen modifizieren lässt. Diese Praktiken transgressiven Spiels gehen dabei i.d.R. mit einer Veränderung des Spielmaterials einher, etwa bei der Manipulation von Spielbrettern und figuren, von Programmcode, 3D-Modellen oder Ähnlichem.

Dem Material kommt also eine zentrale Rolle zu: Indem es zunächst den Gegenstand des Experimentierens darstellt, anschließend aber zur Grundlage bzw. zum Werkzeug weiterer spielerischer Versuche wird, muss es als ‚epistemisches Ding‘ (Hans-Jörg Rheinberger) verstanden werden. So forderte bereits die Reformpädagogik die schrittweise Heranführung der Spielenden an verschiedene Materialien und Formen. Dabei sollte im Zuge des kindlichen Forscherdrangs jedes hinzukommende Objekt zunächst auf sein Zusammenwirken mit den bereits vorhandenen Spielmaterialien überprüft wurde, bevor es im nächsten Schritt selbst als Werkzeug zur Überprüfung weiterer solcher Neuankömmlinge dienen konnte. Auch der Prozess des Spieldesigns ist ohne Experimentieren mit materiellen Repräsentationen aus Papier, Plastik und Holz schlicht undenkbar, können die zu erprobenden abstrakten Regeln doch nur durch das ‚Ausspielen‘ mit Spielgerät auf ihr Funktionieren im Sinne eines unterhaltsamen Spielerlebnisses überprüft werden – auch und gerade in der Entwicklung digitaler Spiele, denen häufig die materielle Bodenhaftung abgesprochen wird, kommen Materialien, beispielsweise im Paper Prototyping, vor.

Gleichzeitig ist Spielmaterial als Ware in ökonomisch motivierte Testabläufe eingebunden. Die Industrie erprobt laufend Spielformate sowie Finanzierungs- und Monetarisierungsmodelle. Besonders digitale Spiele und die Vertriebsplattformen, in die sie eingebettet sind, befinden sich daher zunehmend im Modus einer ‚Perpetual Beta‘, d.h. sie fungieren als dauerhafte experimentelle Versuchsanstalten. Diese Tatsache stellt die Spielforschung vor eine doppelte Herausforderung: Einerseits gewinnt das Spiel, das sich als unabgeschlossenes, performatives Medium ohnehin der Untersuchung im Sinne einer Werksanalyse entzieht, so eine weitere Ebene von Flüchtigkeit, die es zu berücksichtigen gilt. Andererseits rücken die materiell-ökonomischen Zusammenhänge, also die Produktions- und Verwertungsbedingungen der Spiele in den Vordergrund. Untersuchungen von Modding- und Fanarbeit werden ebenso nötig wie die Auseinandersetzung mit digitalen Gütern und den ihnen anhängenden Praktiken von Handel und Glücksspiel.

Im Anschluss an den Navigationen-Band Spiel|Material lädt die Siegener GamesCoop zu einer Diskussion spielerischer Materialitäten ein, in deren Rahmen Spiele, Spieldesign und -produktion als Orte des experimentellen Umgangs mit Regeln, Formen und Spielmaterial in den Blick genommen werden.

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